Im richtigen Moment schweigen
Noch ist die Entscheidung für den ersten Ministerpräsidenten der
Linken in einem Bundesland noch gar nicht gefallen, da meldet der
Bundespräsident Bedenken an. Nicht gegen Bodo Ramelow persönlich –
ein Westdeutscher mit evangelischen Wurzeln. Gauck stellt infrage, ob
die Linke bereits vertrauenswürdig genug ist, einen Regierungschef zu
stellen. Mit diesem Ausflug in die Parteienlandschaft begibt er sich
einmal mehr auf einen schmalen Grat. Nicht nur, dass der Präsident
diese Frage zu einem Zeitpunkt aufwirft, als die
Mitgliederentscheidung in der Thüringer SPD, die den Weg für
Rot-Rot-Grün frei machen soll, noch gar nicht beendet ist. Er stellt
diese Frage auch im Wissen, dass er sein Amt in guter Tradition
überparteilich auszuführen hat. Wahlergebnisse und deren Folgen zu
kommentieren – das ist aber nicht sein Bier. Selbst die Parteichefs
in Berlin halten sich in der Regel bedeckt, geht es um
Regierungsfindungen in den Bundesländern. Gauck muss die Linke weder
mögen noch ihr vertrauen. Und wer, wenn nicht er, kann jede
Gelegenheit nutzen, mahnend das Unrecht des SED-Regimes
herauszustreichen. Doch zu einem starken Präsidenten – und das will
Gauck sein – gehört es auch, sich im richtigen Moment zurückzuhalten.
Ein Bundespräsident stößt Debatten an. Auch entscheidet er darüber,
welche Gesetze in Kraft treten. Unter einen Ministerpräsidenten hat
er seine Unterschrift nicht zu setzen.
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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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