Südwest Presse: KOMMENTAR · GRIECHENLAND

Endzeitstimmung

Ein Minister, der den EU-Partnern androht, sich als staatlicher
Schleuser für illegale Einwanderer zu betätigen, muss in
Endzeitstimmung sein. Die Links-Rechts-Koalition der radikalen
Populisten in Athen agiert, als stehe sie kurz davor, die Brocken
hinzuwerfen und stricke schon an der Legende, Brüssel im allgemeinen
und Berlin im Besonderen trage die Schuld am Scheitern. Dem ist nicht
so. Tsipras und die Seinen bekommen nur ihre Wähler nicht mehr raus
aus den Wolkenkuckucksheimen, in welche sie sie im Wahlkampf mit
wohlfeilen, aber realitätsfernen Versprechen gelockt haben. Der Weg
aus der Schuldenmisere ist steinig, welche Regierung auch
voranschreitet. Mit Hobby-Steuerfahndern, die per Handyfoto
Schwarzgeldsünder aufspüren, ist es wirklich nicht getan.
Leidtragender ist ein großer Teil der Bevölkerung. Politische und
wirtschaftliche Eliten in Griechenland haben es über Jahrzehnte
verstanden, die Segnungen der EU-Währungsgemeinschaft in die eigenen
Taschen zu lenken. Jetzt sind die Quellen versiegt, das Geld wurde
ins Ausland geschafft. Die Hauptlast der fälligen Kürzungen soll die
Masse der Normalverbraucher tragen. Das ist eine große
Ungerechtigkeit – genau diese Erkenntnis machte Tsipras zum
Wahlsieger. Doch die Versuche seiner Regierung, die Fehlentwicklung
zu stoppen, sind allzu dilettantisch und kurzatmig. Der nächste Akt
des griechischen Dramas hat begonnen.

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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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