Südwest Presse: Kommentar: Loveparade

Fiasko mit Ansage

Bevor ein Mensch vor dem Strafrichter landet, sind Hürden zu
überwinden: Nach dem Anfangsverdacht folgt die Anklage – und diese
muss das Gericht dann zulassen. Dazu müssen Richter die „hinreichende
Wahrscheinlichkeit“ einer Verurteilung feststellen. Was formell
klingt, ist in Wahrheit eine fragile Kette von
Ermessensentscheidungen. Dass alle Beteiligten grandios danebenliegen
können, haben viele Prozesse bewiesen. Ob Kachelmann, Wulff oder
Wiedeking: Von scharf vorgetragenen Vorwürfen blieb wenig bis nichts
übrig. Was die Duisburger Loveparade-Entscheidung so besonders macht:
Es war ein Fiasko der Staatsanwaltschaft mit Ansage. Seit Jahren ist
bekannt, dass die Anklage sich auf ein miserables Gutachten stützt.
Anwälte und Journalisten haben früh auf die Gefahr hingewiesen, doch
es wurde keine neue Expertise angefordert. Diese Sturheit war
fahrlässig. Nun stehen die Ermittler vor einem Scherbenhaufen. Für
Opfer und Angehörige ist es ein Schlag ins Gesicht. Fast sechs Jahre
sehen sie schon zu, wie die Mühlen der Justiz mahlen. Sollte die
Aufarbeitung nun auf diese Weise scheitern, wäre das ein fatales
Signal. Es geht um die Verantwortung für den Tod von 21 Menschen, um
hunderte Verletzte. Ja, es wäre schwierig geworden, das komplexe
Geschehen der Loveparade-Katastrophe vor Gericht aufzuklären. Doch
was soll man über einen Rechtsstaat denken, der sich schon im Ansatz
derart kläglich verheddert?

Pressekontakt:
Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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