Südwest Presse: KOMMENTAR · STUTTGART 21

Keine Überraschung

Selbst der sehr interessierte Laie kann nicht mehr fundiert
beurteilen, was ein weiterer Baustopp beim Stuttgarter Bahnhof
tatsächlich kosten würde und wie viel Zeitverzögerung letztlich
dadurch entstünde. In dieser unüberschaubaren Gemengelage ist es
deshalb nicht überraschend, dass die Bahn von ihrem Bauherrenrecht
Gebrauch macht. Die Arbeiten am Projekt werden fortgesetzt und
weitere Aufträge vergeben. Der grüne Teil der Landesregierung hat
versucht, diese absehbare Entwicklung zu verzögern und muss nun klein
beigeben. Es ist schließlich die Aufgabe der Exekutive, Recht und
Gesetz umzusetzen und nicht, gerichtlich überprüfte Entscheidungen
und erteilte Genehmigungen auszuhebeln. Freilich bemühen sich die
Bahn-Verantwortlichen erkennbar, trotz der Bauentscheidung kein
weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Das hängt zum einen damit zusammen,
dass die Risiken des Großprojekts nicht weniger geworden sind. Der
vereinbarte Stresstest steht erst bevor, der Stuttgarter OB Schuster,
ein S-21-Befürworter, sorgt sich um die Mineralquellen der
Landeshauptstadt und die Entwicklung der Kosten des Projekts bleibt
ungewiss. Zum anderen aber ist wohl auch dem Bauherren klar, dass ein
Projekt dieser Art letztlich kaum durchzuziehen ist ohne Akzeptanz
einer Mehrheit der Stuttgarter Bevölkerung. Ein Bahnhof ist kein
Atomkraftwerk und keine Müllverbrennungsanlage – da kann letztlich
keine Zustimmung der Anlieger vorausgesetzt werden. S 21 dagegen soll
den Bürgern dienen und ihre Stadt lebenswerter machen – und sie nicht
in zwei Lager spalten und für lange Zeit das Klima vergiften.

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
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