Südwest Presse: KOMMENTAR · STUTTGART 21

Dazugelernt

Gerade noch rechtzeitg scheint Bahnchef Rüdiger Grube die Kurve zu
kriegen. Denn die nun einkassierte Drohung des Unternehmens,
ungeachtet des für Herbst geplanten Volksentscheids mit dem Abriss
des Bahnhof-Südflügels vorzeitig Fakten zu schaffen, war eine
unnötige Provokation – und eine taktische Dummheit obendrein. Am 27.
März hat eine Mehrheit der baden-württembergischen Wähler für
Grün-Rot gestimmt – und damit unter anderem auch dafür, den
Dauerkonflikt um Stuttgart 21 über den Weg eines Volksentscheids zu
lösen. An dem Verfahren mag es, gerade aus Sicht eines dadurch
nachträglich ausgebremsten Bauherren, viel auszusetzen geben. Aber
den Willen der Bürger und das Primat der Politik sollte die Bahn
nicht geringschätzen. Ein vorzeitiger Abriss des Südflügels aber
hätte den Volksentscheid ad absurdum geführt. Das Bürgervotum ist für
die Bahn die große Chance, sich eine neue Legitimation für das
Milliardenprojekt zu erwerben. Grube hat das erkannt. Natürlich ist
sein Angebot auch der Versuch, vor der Abstimmung Sympathiepunkte zu
sammeln. Nicht weniger durchsichtig handeln aber die grünen
Bahnhofsgegner, die Grube erst zum Verzicht aufgerufen haben, um ihm
nun vorzuhalten, einen Abriss vor Herbst gar nicht geplant zu haben.
Es wird daher Zeit, dass der Volksentscheid näher rückt und das Volk
das – hoffentlich dann auch letzte – Wort in dieser Sache erhält.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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