KOMMENTAR zu MERKEL
Ausgabe vom 10.10.2012 Fünf Jahre hat Angela Merkel verstreichen
lassen, ehe sie mal wieder nach Athen gereist ist. Ein bisschen spät
kam ihr Besuch beim krisengeschüttelten EU-Partner also schon, denn
Griechenland ist nicht nur die Mutter der europäischen Demokratie,
sondern auch der Ursprung des Dramas um die gemeinsame Währung. Und
die Bundeskanzlerin gilt dort inzwischen als angefeindete Symbolfigur
eines von außen diktierten Spar-Regimes, das die Hellenen
mehrheitlich als herzlos und ungerecht empfinden. Dieses aus
deutscher Sicht gewiss unfaire Urteil hat sich Angela Merkel zum Teil
selbst eingebrockt. Sie hat die Hilfsmaßnahmen für Athen aus
Rücksicht auf wichtige Landtagswahlen erst verzögert, um sich dann
als unnachgiebige Verfechterin eines eisernen Konsolidierungskurses
in ganz Europa zu gerieren. Ihre jüngsten Mitleidsadressen an das
griechische Volk erschienen daher nicht rundum glaubwürdig. Freilich
muss man der Kanzlerin Mut bescheinigen, in einer aufgeheizten
Situation nach Athen zu fahren und dort persönlich Flagge zu zeigen.
Von ihrem Kurs ist sie selbst im Angesicht von Massenprotesten und
Polizeigroßeinsatz nicht abgewichen, aber sie hat zumindest ihre
Chance genutzt, den Griechen die Solidarität Deutschlands zu
demonstrieren. Wenn diese Botschaft bei einem Teil der Wutbürger auf
den Straßen angekommen ist, hat sich der verspätete Besuch Angela
Merkels vielleicht doch gelohnt.
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