Südwest Presse: Kommentar zur Merkel

Nur ein Jahr nach Beginn ihrer zweiten Amtsperiode ist
die Bundeskanzlerin schon wieder in die Kluft der Wahlkämpferin
geschlüpft. Angela Merkel kämpft gegen die Depression ihrer eigenen
Partei, gegen den anschwellenden Bürgerprotest und gegen den
drohenden Verlust des konservativen Stammlandes Baden-Württemberg.
Aus der Summe dieser Risiken ergeben sich natürlich auch Gefahren für
die CDU-Chefin selbst. Der inneren Befindlichkeit der Union tat die
aggressive Parteitagsrede der Kanzlerin daher durchaus gut. Mit
groben Hieben gegen die rot-grüne Konkurrenz ließ sich der zuletzt
notleidende Gemeinschaftsgeist der CDU auffrischen. Sogar mit der
historisch falschen Behauptung, allein SPD und Grüne hätten den
ehemaligen Bundespräsdenten Horst Köhler in die Resignation
getrieben. Ob Angela Merkels Beschwörung christdemokratischer
Traditionen und Verdienste aber weiter trägt als bis zum Ende des
Parteitages, ob die CDU in Karlsruhe neue Überzeugungskraft für die
Regierungsarbeit in Berlin und die Wahlkämpfe des nächsten Jahres
tanken kann, ist offen. Wiedervorlage bei der Landtagswahl in
Baden-Württemberg im März 2011. Dass Merkels Autorität nicht
unantastbar ist, zeigt die Ohrfeige, die ihre besonders treue
Stellvertreterin Annette Schavan einstecken musste. Da haben sich
viele Delegierte an einer blassen Ministerin schadlos gehalten, die
zuvor ihre Vorsitzende schonen wollten.

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Lothar Tolks
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