taz-Kommentar von Georg Löwisch über Kretschmanns Votum für Merkel/ Schaden nicht nur für die Grünen

Winfried Kretschmanns Vorvorvorgänger Erwin Teufel
liebte Fusionen. Der Ministerpräsident von der CDU verschmolz in
seiner Amtszeit alles, was es im Südwesten so gab: Banken,
Energieversorger, Rundfunksender. So entstanden die Landesbank
Baden-Württemberg, die Energie Baden-Württemberg und der
Südwestrundfunk. Nur eine Fusion wollte der alte Erwin ganz und gar
nicht: die von CDU und Grünen. Daran werkelt nun der Winfried.

Ein Jahr vor der Bundestagswahl platzt der Grüne damit heraus,
keine geeignetere Kanzlerkandidatin zu kennen als die CDU-Chefin.
Angela Merkel selbst hat sich noch gar nicht erklärt, da bestürmt sie
der mächtigste Grünen-Politiker. Er sagt nicht nur, dass sie gut ist.
Er sagt, dass es niemanden gibt, der oder die besser ist. Sozusagen
alternativlos.

Strategisch ist das ziemlich tollpatschig. Denn für die Grünen
wäre es wichtig, selbstbewusst in den Wahlkampf zu ziehen. Nicht im
Paket mit der CDU. Und nicht als Merkels willenloses Anhängsel.
Sondern selbstbewusst mit zwei Machtoptionen: einer schwarz-grünen
und einer rot-rot-grünen. So ließe sich dann schon auch schöner über
eine Koalition verhandeln.

Ja, bringt es aber nicht Klarheit, wenn alle vorher erfahren, wen
sie ins Kanzleramt schicken, wenn sie die Grünen wählen? Vielleicht
wäre das so, wenn die Grünen sich einigen. Aber die Linksgrünen
werden Merkel nie uneingeschränkt unterstützen. Obwohl Kretschmann
das wissen muss, kürt er Merkel mal eben zur grünen
Kanzlerkandidatin. Er vertieft die Teilung in Linksgrün und
Realogrün, wie die wütenden Reaktionen auf seinen Auftritt zeigen.

Kretschmanns Auftritt ist aber nicht nur mit Blick auf die Grünen
falsch. Im Wahljahr 2017 braucht es zwei Machtoptionen. Erst so
entsteht eine Konfliktlinie zwischen den etablierten Parteien. Je
weniger unterscheidbar die sind – inhaltlich wie personell -, desto
leichter hat es die AfD.

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