taz-Kommentar zum EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes

taz-Kommentar von Christian Rath zum Urteil des
Bundesverfassungsgerichtes

Europa unter Karlsruher Aufsicht

Es war klar, dass das Bundesverfassungsgericht der Europäischen
Zentralbank (EZB) nicht in den Arm fallen würde. Schon die
Ankündigung, Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufzukaufen, hat die
Zinsen sinken lassen und ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone
verhindert.

Hätte Karlsruhe diesen großen Erfolg aus juristischen Gründen
beanstandet, hätte es sich nicht nur in Europa ins Abseits gestellt,
es hätte auch Bundesregierung und Bundestag massiv herausgefordert,
da diese die EZB-Politik mittrugen und verteidigten. Karlsruhe und
die Euro-Kritiker blieben mit ihren apokalyptischen Ängsten um den
deutschen Staatshaushalt allein.

Das Bundesverfassungsgericht steht nun aber nicht mit leeren
Händen da. Es hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) dazu gebracht,
der EZB halbwegs strenge Vorgaben zu machen.

Aus Karlsruher Sicht ist es auch ein Erfolg, dass die unabhängige
Zentralbank überhaupt von Gerichten kontrolliert wird. Zwar hat der
EuGH nicht alle Argumente Karlsruhes übernommen. Doch die Karlsruher
Richter denken langfristig. Ein EuGH, der sich dem Karlsruher
Stabilitätsdenken annähert, nützt den Verfassungsrichtern mehr als
ein Richterstreit um das juristisch „letzte Wort“.

Die Karlsruher Richter haben ihre strategische Position auch
langfristig gefestigt. Weiterhin kann jeder deutsche Bürger das
Bundesverfassungsgericht einschalten, wenn er sein „Recht auf
Demokratie“ durch EU-Organe gefährdet sieht. Die Richter haben ihre
eigene Kontrollintensität zwar eingeschränkt und akzeptieren den EuGH
als Hauptkontrolleur. Wenn der EuGH aber „willkürlich“ entscheidet,
werde doch das Bundesverfassungsgericht eingreifen.

So kann Karlsruhe den „Dialog“ mit dem EuGH aus einer Position der
Stärke führen. Die Botschaft des heutigen Tages lautet: Europa bleibt
unter Karlsruher Aufsicht, aber die Erziehungsmethoden werden
moderner.

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