Thüringische Landeszeitung: Darum Lieberknecht / Kommentar von Norbert Block zur Regierungsbildung in Thüringen

25 Jahre nach dem friedlichen Sturz des SED-Regimes
besteht nun rechnerisch die Möglichkeit, dass ein Vertreter der
Nach-Nachfolge-Partei „Die Linke“ Regierungschef in Thüringen wird.
Ich kann und will mir das nicht vorstellen. Bodo Ramelow ist wie ich
erst nach der Wende nach Thüringen gekommen und hier heimisch
geworden. Ihn persönlich kann man somit nicht für die Taten des
SED-Regimes verantwortlich machen. Wohl aber die, die immer noch in
seiner Fraktion sitzen: ehemalige Stasi-Spitzel, Funktionäre und
Sympathisanten der einstigen Staatspartei, die für so viel Unrecht
verantwortlich war. Ich bin gerne nach Thüringen gekommen, habe
inzwischen mehr als mein halbes Leben hier verbracht – aber von
SED-Nachfolgern möglicherweise regiert zu werden, dass möge mir, aber
vor allem den Menschen, die vor 25 Jahren für die Freiheit ihr Leben
riskiert haben, erspart werden.

Zwölf Abgeordnete der SPD und sechs Parlamentarier der Grünen
müssen sich genau auch diese Gewissensfrage stellen. Die Grünen wie
die Sozialdemokraten sind nach der Wende von Bürgerbewegten in
Thüringen (wieder)gegründet worden. Wollen sie als Steigbügelhalter
für die SED-Nachfolger herhalten? Die SPD wäre dann nicht mehr die
Partei eines Gerd Schuchardt, der einst mit einer klaren Aussage
gegen die Linken als SPD-Spitzenkandidat und Parteichef fast 30
Prozent für die Sozialdemokraten eingefahren hat. Die SPD hat bei der
Landtagswahl am Sonntag verloren, weil sie keine klare Aussage zu
einer möglichen Koalition gemacht hat. Sie wird aber Mitglieder wie
Zustimmung verlieren, wenn sie einen Pakt mit den Linken eingeht.
Denn wie will ein SPD-Kreisvorsitzender wie Stefan Sandmann aus
Ilmenau, der noch vor zwei Wochen mit Plakaten wie „Keine
Stasi-Spitzel in die Regierung“ Wahlkampf machte, dann noch in seiner
Partei beheimatet sein? Und wenn man den Befragungen der Wahlforscher
trauen darf, wünschen sich viele, die die SPD noch gewählt haben,
eine Fortsetzung der Großen Koalition.

Die CDU mit Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat von den
Wählern den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. In 34 von 44
Wahlkreisen sind die CDU-Kandidaten von den Bürgern gewählt worden.
Damit ist die Union klar die stärkste Fraktion im Parlament. Eine
Ein-Stimmen-Mehrheit mit der SPD reicht zum Regieren – und sie wird
halten. Wenn sich die SPD dann auf ihre Thüringer Wurzeln besinnt,
kann sie davon bei den kommenden Wahlen wieder profitieren. Auch ein
Dreierbündnis mit CDU, SPD und Grünen könnte Thüringen weiter
voranbringen.

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