Thüringische Landeszeitung: Das V-Wort – Türkei isoliert sich mit Verweigerung selbst / Leitartikel von Sibylle Göbel zum türkischen Völkermord an den Armeniern und dem Umgang damit

Es ist eine Binse: Wer sich mit seiner
Vergangenheit nicht unvoreingenommen auseinandersetzt und mit
Wortgirlanden verbrämt, was auch mit dem Abstand von Jahren und
Jahrzehnten durch nichts gerechtfertigt ist, der ist nicht für die
Zukunft gewappnet. Indem sich die offizielle Türkei in reine
Begrifflichkeiten verbeißt, was das Massaker an bis zu 1,5 Millionen
Armeniern vor 100 Jahren anbetrifft, verweigert sie sich einer
ehrlichen und schonungslosen Aufarbeitung der schrecklichen
Ereignisse.

Anstatt die Legendenbildung zu korrigieren, die – wie man hört –
selbst herausragenden türkischen Historiker ein Anliegen ist, hält
sie sogar Archive unter Verschluss und die nun auch vom deutschen
Bundestag gefundene Formulierung für eine Anmaßung und Zumutung
sondergleichen.

Damit stellt sich der Nachfolgestaat des Osmanischen Reiches nicht
nur einer Annäherung und Aussöhnung mit den Armeniern in den Weg,
sondern sich auch selbst ein Bein. Ein ehrliches Bekenntnis dazu,
dass es Völkermord war, den die damalige türkische Regierung beging,
brächte ihm den Respekt des übrigen Europas ein, anstatt die Türkei
nun wie einen uneinsichtigen und unverständigen Trotzkopf aussehen zu
lassen. Wie einen, der mit seiner unnachgiebigen Haltung altes
Unrecht sanktioniert und ihm sogar noch neues hinzufügt.

Es ist richtig, dass sich der Deutsche Bundestag genauso wenig wie
etwa Österreich oder Frankreich von der Aussicht auf einen mauligen
Nato-Partner Türkei beeindrucken ließ und sich nach langen Debatten
zum Begriff Völkermord durchrang. Denn alles andere wäre eine
Verharmlosung, wie sie die Welt gerade im Angesicht des aktuellen
Blutvergießens in vielen Teilen der Erde nicht braucht. Und ein
neuerliches Verbrechen an den Armeniern, die vor 100 Jahren auf so
schreckliche Weise aus dem Dasein befördert wurden.

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