Thüringische Landeszeitung: Die Krise als Chance – Es gibt keinen billigen Ausweg / Leitartikel von Axel Zacharias zum Thema Griechenland

Manche fordern jetzt nach dem griechischen
Referendum eine Volksbefragung in der EU über die weiteren Hilfen für
Athen. Abgesehen davon, dass die eine Dummheit dann mit einer
weiteren gekontert würde, wäre dies der vollkommen falsche Weg.
Volksbefragungen, so verlockend sie sein mögen, haben einen Nachteil:
Sie stellen lediglich eine Momentaufnahme dar. Sobald sich
irgendwelche Parameter ändern, könnte auch das Ergebnis dann
entsprechend anders ausfallen.

Trotzdem trägt die augenblickliche Situation das Potenzial einer
Wende zum Besseren in sich. Denn sie ist im Grunde keine andere als
vor dem Wochenende. Der selbstgefällige und rüde Provokateur
Varoufakis allerdings ist von der internationalen Bühne abgetreten.
Wenn sich alle Seiten jetzt im Ton mäßigen, so handeln, wie es zuvor
besprochen worden ist, und der Wunsch nach einer Lösung der Krise
besteht, ist Überraschendes möglich. Das muss nicht zwangsläufig der
Grexit sein, auch wenn es viele Beobachter gibt, die darin die beste
Lösung sehen. Zu den finanziellen Folgen jedoch gibt es keine
seriösen Berechnungen oder Vorhersagen. Klar ist nur, beide Optionen
– der Grexit oder der Verbleib Griechenlands in der Eurozone – sind
ohne Schuldenschnitt nicht zu haben, also werden beide Varianten sehr
teuer, für uns europäische Steuerzahler und für die Masse der
gebeutelten Griechen.

Klar ist aber auch, dass Ministerpräsident Tsipras endlich
beginnen muss, Politik zu machen und nicht nur den Verhinderer zu
geben. Das Land braucht eine neue Kultur des Miteinanders. Stolz und
Würde sind ja ganz schön und gut, aber Korruption, Vetternwirtschaft
und Steuerhinterziehung sind nun mal keine Tugenden. Da fängt es an –
und es endet mit einer Sozialgesetzgebung nach europäischem Standard.
Der Berg an Arbeit ist nicht kleiner geworden und Athen sollte sich
endlich ans Werk machen.

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