Thüringische Landeszeitung: Ein peinlicher Start – Die zwei Gesichter des Jean-Claude Juncker / Leitartikel von Axel Zacharias zu den Steuerdeals zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und großen transnationalen Konzernen

Als Vorsitzender der Euro-Gruppe predigte er eine
seriöse Finanzpolitik – es war sein Job. Jean-Claude Juncker ist
inzwischen an die Spitze der Europäischen Kommission aufgestiegen. Es
wäre schön, wenn man weiter davon ausgehen könnte, dass der Chef der
EU-Kommission ein seriöser Politiker ist, der nicht Wasser predigt
und Wein trinkt. Doch welch peinlicher Start in den neuen Job!

Der einstige Luxemburger Premier und Finanzminister hatte im
Wahlkampf um das europäische Spitzenamt versprochen, er werde sich
gegen Steuerdumping stark machen. Der verwunderte Betrachter reibt
sich jetzt die Augen und fragt sich, ob der überzeugte Europäer, als
der Juncker bekannt ist, nun Teil der Lösung oder doch wohl eher Teil
des Problems ist beziehungsweise war. Denn kaum jemand dürfte ihm
abnehmen, dass er von all den Mauscheleien nichts wusste.

Dies alles wird ruchbar, als eben das Bankgeheimnis in seiner
bisherigen Form gekippt wurde. Nun dürften wohl die Steuersparmodelle
an der Reihe sein. Und mehr Transparenz bei Fonds und Stiftungen
wären auch nicht so schlecht für die Steuergerechtigkeit.

Denn es ist Gift für jenes Gefühl der meisten der mehr als 500
Millionen EU-Bürger, wenn sie brav ihre Steuern entrichten, sich
große internationale Konzerne aber dabei heraushalten und so ganz
legal auf das Gemeinwohl pfeifen. Dass Eigentum – auch das der
Aktionäre – verpflichtet, ist offenbar ein Grundsatz, dessen
Verfallsdatum abgelaufen ist.

Hinzu kommt, dass das kleine Großherzogtum als finanzpolitischer
Musterknabe gilt. Was wohl fühlen die gebeutelten Griechen nun, da
die Tricksereien in Luxemburg aufgedeckt werden? Als Mahner für mehr
Solidarität in Europa jedenfalls dürfte Juncker nun nicht mehr
taugen. Das kleine Land als riesiger Investment-Platz dank
komplizierter Finanzkonstruktionen – Gerechtigkeit sieht anders aus.
Auch wenn dies alles nicht strafbar sein sollte.

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