Das Misstrauen gegenüber Deutschland war immer da,
weil sich das wirtschaftlich potente Land zugegebenermaßen zuweilen
rücksichtslos gebärdete und auf Befindlichkeiten kleinerer Partner
wenig Rücksicht nahm. Das rächt sich nun. Denn viele kleinere Staaten
verfügen jetzt mit der Nicht-Aufnahme von Asylsuchenden über ein
Erpressungspotenzial gegenüber dem großen Nachbarn. Dabei spielt in
Zeiten des Wiedererwachens nationalistischer Kräfte in den
EU-Staaten die Überlegung, dass damit Europa beschädigt wird, eine
untergeordnete Rolle. Nur sehr naive Geister glauben noch, dass die
Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU, so wie Kanzlerin Merkel sie
favorisiert, funktionieren wird. Aber hoffen darf man ja …
Die hehren Ziele, die bei der Gründung der Europäischen Union eine
Rolle gespielt haben – Stichwort Wertegemeinschaft – sind vergessen.
Es gibt sie noch, die EU, allerdings als Transfergemeinschaft von den
reicheren Staaten des Nordens zu den armen Vettern im Süden. Offenbar
haben viele der in den vergangenen Jahren neu aufgenommen Länder die
Gemeinschaft auch nie anders verstanden. Und auch die Briten scheinen
so zu denken. Die eingeforderten und seit Jahrzehnten gewährten
Sonderkonditionen für die Insel sprechen ihre eigene Sprache. Anstatt
mehr Europa, wie es in der Krise angebracht wäre, steht weniger
Europa auf der Agenda der einzelnen Nationalstaaten.
Zögerlich beginnt jetzt der Aufbau einer gemeinsamen
EU-Grenzsicherung, wie dies schon seit Jahren notwendig wäre. Die
Angst vor einem Souveränitätsverlust droht auch hier zu Kompromissen
zu führen, die sämtliche Beschlüsse verwässern werden. Europa, wie
wir es jetzt kennen, steht auf dem Spiel!
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