Thüringische Landeszeitung: Fakten ignoriert – Lieberknecht hat zu viel versprochen / Leitartikel von Florian Girwert zum Stromtrassenbau durch Thüringen

Das Versprechen Christine Lieberknechts hallt noch
im Ohr. Als Thüringens noch amtierende Regierungschefin während des
Wahlkampfs die Pläne der Stromnetzbetreiber zusammen mit ihrem
bayerischen Amtskollegen Horst Seehofer gegeißelt hatte, vermutete
mancher schon damals vorwiegend heiße Luft. Dem Bedarfsplan, in dem
die vieldiskutierte Leitung bereits grob verzeichnet war, hatte
Thüringen im Jahr 2013 noch zugestimmt. Später hatte man dann
erkannt, dass sich mit dem Ausbau der Stromnetze keine Wählerstimmen
gewinnen lassen und öffentlich getönt, die Leitung dürfe nicht durch
Thüringen verlaufen. Später sollte die Notwendigkeit noch einmal
geprüft werden – und Lieberknecht erklärte, damit sei die Trasse in
Thüringen Geschichte. Heute nun ist dahin, was die Wahlkämpferin
damals versprach.

Den Kampf gegen die Leitung hatten ohnehin zunächst andere
geführt, nämlich Landräte und Abgeordnete der Region Ostthüringen,
die quer über Parteigrenzen hinweg bezweifeln, dass es die Leitung
wirklich braucht. Diesen Bedenken versucht der neue Plan Rechnung zu
tragen. Der Beginn der Leitung, die Strom ohne Abzweig gen Süden
transportiert, wurde in die Nähe von Windparks gelegt, das Ende soll
näher an ein stillzulegendes Atomkraftwerk heranrücken, um die dort
entstehende Lücke aufzufangen.

Aufgabe der nächsten Landesregierung wird nun sein, zusammen mit
den Verantwortlichen bei Bundesnetzagentur und Stromnetzbetreibern
den Ostthüringer Bürgern zu erklären, warum diese Leitung
ausgerechnet bei ihnen vor der Tür verlaufen muss. Das wird keine
schöne Aufgabe werden, aber sie ist nötig. Einmal mehr zeigt sich,
dass Politik nicht einfach die Wirklichkeit ignorieren kann, sondern
manchmal auch unpopuläre Entscheidungen vertreten muss. Genau das
Gegenteil haben Christine Lieberknecht und ihr bayerischer
Amtskollege in den vergangenen Monaten getan.

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