Thüringische Landeszeitung: Gaucks freie Welt

Weder Bundespräsident noch Bundeskanzlerin sind
dazu da, um alles sofort zu kommentieren, wenn sie öffentlich von der
Opposition dazu aufgefordert werden. Joachim Gaucks wohltuend
differenzierte Worte zur NSA-Spähaffäre, deren sachliche Aufarbeitung
von Wahlkampfgetöse übertönt und behindert wird, kommen nicht zu
spät, sondern zur rechten Zeit. Und sie sind keineswegs geeignet, um
einen Keil zwischen ihn und die Kanzlerin zu treiben.

Angela Merkel hatte die prägnante Botschaft in Richtung Washington
geschickt, in Deutschland müsse man sich an deutsche Gesetze halten.
Eleganter und präsidialer formuliert, sagt Gauck dasselbe: „Wir leben
in einem Rechtsstaat, in dem das Grundgesetz gilt.“

Gaucks Kommentierung der NSA-Affäre ist weder ein Frontalangriff
gegen die USA noch einer auf die Bundesregierung. Denn er schließt
explizit nicht aus, dass Freiheitsrechte eingeschränkt werden können,
wenn die Sicherheit der Bürger gefährdet ist. Er mahnt jedoch die
Verhältnismäßigkeit der Mittel an, die er nicht immer gewahrt sieht.
Gauck geißelt aber auch plumpen Anti-Amerikanismus.

Dass Gauck noch immer offen und unverschlüsselt kommuniziert,
zeigt , wie naiv er gegenüber ausländischen Nachrichtendiensten ist.
In Gaucks freier Welt nach der Überwindung der DDR-Diktatur ist
solches Handeln gegenüber unschuldigen Bürgern nicht mehr vorgesehen.
Ein Irrtum.

Wie Merkel warnt Gauck die Interpreten der NSA-Schnüffeleien
jedoch vor historischen Fehlschlüssen: Die amerikanischen
Geheimdienste sind bei aller Kritik keine DDR-Staatssicherheit. Denn
die war dazu da, die Bevölkerung zu unterdrücken. Dieser
entscheidende Unterschied wird in der aufgeregten Debatte oft
leichtfertig und manchmal hinterhältig verschwiegen.

Von Bernd Hilder

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