Das Recht der freien Meinungsäußerung gehört in
einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat zu den fundamentalen
Grundrechten. Mehr als befremdlich ist es, wenn das Thüringer
Innenministerium durch das Landesverwaltungsamt den Bürgermeistern
und Landräten dieses Recht einschränken will. Bürgermeister und
Landräte arbeiten genauso wie Regierungschefs oder Minister nicht im
parteipolitisch luftleeren Raum. Sie haben eine Meinung – und die
müssen sie auch öffentlich vertreten können. Von ihnen erwarten die
Bürger geradezu, zu wichtigen Themen ihrer Gemeinde, ihrer Stadt,
ihres Landkreises und darüber hinaus Stellung zu beziehen.
Das Rundschreiben, das zunächst an alle Oberbürgermeister und
Landräte sowie alle Landratsämter als untere Rechtsaufsichtbehörde
gerichtet ist, gleicht aber einem Maulkorb. Denn die Betroffenen
müssen nun künftig zwischen Äußerungen als Privatperson und
Äußerungen als Bürgermeister oder Landrat unterscheiden. Und das
Thüringer Landesverwaltungsamt holt dazu die große Keule heraus und
droht bei Verstößen mit disziplinarrechtlichen Folgen.
Richtig ist, dass Bürgermeister oder Landräte ihre Stellung nicht
missbrauchen dürfen, um in Amtsblättern oder auf den Internet-Seiten
der Kommune Parteipolitik zu machen. Dafür gab es in der Tat in den
zurückliegenden Jahren das eine oder andere Beispiel. Aber die
Amtsträger per Maulkorb-Erlass unter Generalverdacht zu stellen, geht
entschieden zu weit.
Es hat den Anschein, dass Bürgermeister nicht mehr kritisch mit
Entscheidungen der Landesregierung umgehen dürfen, wenn es
beispielsweise um die Finanzhilfen für die Kommunen geht.
Vielleicht ist das Schreiben aber nur einem übereifrigen Beamten
zu verdanken, der mit seiner bürokratischen Sprache über das Ziel
hinausgeschossen ist. Der Innenminister sollte das Rundschreiben
kassieren.
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