Große Klappe, nichts dahinter: Der desolate Zustand
der Bundeswehr ist zwar nicht die Schuld von Ursula der Leyen. Es ist
aber umso peinlicher, wenn sich die Verteidigungsministerin auf ihren
PR-Reisen in Krisenregionen die deutsche Armee als handlungsfähige
Truppe präsentiert, obwohl dem nicht so ist. Man denke auch an ihren
Appell, Deutschland müsse mehr internationale Verantwortung
übernehmen. Jetzt musste sie sogar zugeben, dass die Bundeswehr nicht
den vertraglichen Nato-Anforderungen genügt.
Dass sich die schlechten Nachrichten in den letzten Tagen gehäuft
haben, hat auch mit der Bundeswehr selbst zu tun. Schon lange
herrscht dort die Unkultur vor, Unerfreuliches unter den Tisch fallen
zu lassen. Als die Truppe letzte Woche dem Verteidigungsausschuss
ihren Bericht vorlegte, dürften deren Mitglieder nicht nur gestaunt
haben, sondern auch verärgert gewesen sein. Wieder einmal musste das
Parlament die Streitkräfte und die Bundesregierung zwingen, sämtliche
Fakten auf den Tisch zu legen. Und neben den gebündelten Problemen,
die auf einmal an Licht kamen, war fast noch unmöglicher, dass wieder
einmal versucht wurde, die Realität schönzureden.
Schon seit zwei Jahren gab es bei der Bundeswehr keine fruchtbare
Entscheidung mehr; unter de Maizière ist viel Zeit verloren gegangen.
Auch muss man im Rückblick sagen, dass seine Reform verfehlt war.
Sein Konzept „Breite vor Tiefe“ funktioniert nicht. Die Armee muss
vielmehr Schwerpunkte setzen, statt alles in mangelhafter Qualität
und Quantität vorzuhalten. Auch mit Blick auf die Nato ist wichtig,
die Fähigkeiten zu stärken, die im Bündnis wichtig sind, anstatt sie
auf Mittelmaß abzusenken.
Es ist die Aufgabe der Verteidigungsministerin, diesen
Reformfehler zu korrigieren. Denn die Aufstockung des Wehretats, wie
sie jetzt reflexhaft gefordert wird, klingt auch eher nach einem
Schnellschuss statt nach einer Lösung mit Weitblick.
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