Thüringische Landeszeitung: Gerechtere EU-Wahl / Kommentar von bernd Hilder zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Sperrklausel für die Europawahl

Auch wenn manche Vertreter der großen Parteien nun
jammern und das Verfassungsgericht für die Aufhebung der
Drei-Prozent-Klausel heftig kritisieren: Das Urteil ist richtig und
es führt zu mehr Demokratie. Die Stimme jedes einzelnen Bürgers wird
wichtiger. Kleine Parteien gewinnen Chancengleichheit. Und trotzdem
bleibt eine Hürde bestehen, um ins EU-Parlament einzuziehen. Eine
Partei, die nur eins der 96 deutschen EU-Mandate ergattern will, muss
bundesweit immer noch mehr als ein Prozent der Stimmen holen.

Mit Sicherheit werden nun mehr deutsche Parteien in Europa ein
kleines Wörtchen mitzureden haben. Das wird auf jeden Fall die Zahl
der Mandate der großen Parteien reduzieren, was vermutlich der wahre
Kern des Parteien-Zorns auf Karlsruhe ist.

Wenig schlüssig ist die Begründung des Verfassungsgerichts, anders
als der Bundestag müsse das EU-Parlament keine stabile Regierung
bilden. Mit der politischen und staatsrechtlichen Abwegigkeit dieser
Argumentation versuchen die Verfassungsrichter ein juristisch
schwieriges Kunststück: nach der Aufhebung der Drei-Prozent-Hürde für
das Straßburger Parlament die politische Rettung der
Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen.

Doch auch die Fünf-Prozent-Hürde muss gesenkt werden, wenn
Karlsruhe den jetzt formulierten Prinzipien von Chancengleichheit
gerecht werden will. Sie war eingeführt worden nach den verheerenden
Erfahrungen in der Weimarer Republik mit einer zersplitterten
Parteienlandschaft, die den Aufstieg der Nazis begünstigte. Doch die
Berliner Republik ist nicht Weimar, die deutsche Demokratie steht auf
soliden Grundmauern.

Zudem hat die Bundestagswahl gezeigt, wie eine Stimmenmehrheit
durch die Mehrheit von Mandaten verfälscht werden kann, wenn zu viele
Stimmen undemokratisch wegfallen. Die Politik sollte nicht wieder auf
die Verfassungsrichter warten.

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