Thüringische Landeszeitung: Realitätsverweigerung – Zweifel an Auto-Maut gibt es schon lange / Leitartikel von Matthias Benkenstein zum aktuellen Stand der Maut-Debatte

Nun ist es offiziell: Die EU-Kommission wird
rechtlich gegen die deutsche Auto-Maut vorgehen. Von „erheblichen
Zweifeln“ ist die Rede, dass das Gesetz Ausländer nicht diskriminiere
– entgegen der Darstellung der Bundesregierung.

Die Ankündigung des Verfahrens ist nicht überraschend. Dobrindts
Verkehrsministerium hat mit einigen Tricks gearbeitet, um das
CSU-Projekt über die Bundestags- und Bundesratshürde zu hieven. Weil
das EU-Recht verbietet, dass nur ausländische Autofahrer Maut zahlen
sollen, hat man sich eben einen Umweg ausgedacht: Deutsche sollen
ebenfalls zahlen, dafür soll die Kfz-Steuer gesenkt und kein
deutscher Autofahrer zusätzlich belastet werden. Das hört sich gut
an, und so steht es im Koalitionsvertrag. Die Regierung wurde auch
gestern nicht müde zu betonen, dass die Maut nicht gegen Europarecht
verstößt. Doch spätestens jetzt ist klar, dass die ewigen
Beteuerungen nicht in Stein gemeißelt sind. Die EU-Kommission hat das
deutsche Spiel durchschaut, mit der Folge, dass die Große Koalition
ihre Zusage womöglich gar nicht einhalten kann.

Dabei gibt es schon lange Zweifel an Dobrindts Maut-Plänen – nicht
nur von Brüsseler Seite. Sogar der wissenschaftliche Dienst des
Bundestags kam zu dem Schluss, dass die geplante Abgabe Ausländer
diskriminiere. Das müsste eigentlich auch den meisten
Regierungsmitgliedern klar gewesen sein. Vor allem der SPD ist
vorzuwerfen, dass sie durch ihr Abnicken ein Scheitern der Maut
stillschweigend in Kauf genommen hat. Wenn SPD-Vize Stegner jetzt das
Vertragsverletzungsverfahren begrüßt und sagt, seine Partei habe es
sich mit der Ausländer-Maut schon immer schwer getan, ist das einfach
nur lachhaft. Die SPD befürchtete wohl, durch einen Kursschwenk
Wählerstimmen einzubüßen. Ob fehlendes Rückgrat an der Wahlurne
besser ankommt, ist fraglich.

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