„Deutschland lebt von der Substanz“, sagte
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gestern zu Recht bei der
Generaldebatte im Deutschen Bundestag. Wir können es täglich
beobachten: Im Ruhrgebiet dürfen marode Brücken inzwischen nur noch
mit verringerter Geschwindigkeit befahren werden, ebenso verhält es
sich bundesweit mit manchen Nebenstrecken der Bahn. Schulen und Kitas
befinden sich in einem teils erbarmungswürdigen Zustand – um nur
einige Problemfelder zu benennen.
Doch dafür ist derzeit nur wenig Geld da, weil die
Nullverschuldung im Haushalt in Stein gemeißelt scheint. So wie einst
der Markt als allein seligmachend galt, ist es heute die
Nullverschuldung. Die Marktgläubigkeit hat sich spätestens mit der
Euro- und Staatsfinanzenkrise erledigt, ihre eifrigsten Apologeten,
die FDP nun wohl auch. Wie lange es mit dem Fetisch Nullverschuldung
gut geht, weil gespart wird, anstatt zu investieren, ist noch unklar.
Nur eins dürfte klar sein: Man kann das eine tun, ohne das andere zu
lassen – will sagen: Sparen und investieren muss bei den derzeit
sprudelnden Steuereinnahmen eigentlich gleichzeitig möglich sein.
Niemand bestreitet, dass die Billionen-Altschulden zurückgefahren
werden müssen, um wieder handlungsfähiger zu werden. Die
Infrastruktur dafür aber verkommen zu lassen, ist auch keine Lösung.
Peinlich, dass Deutschland bereits aus der EU-Kommission zu mehr
Investitionen in eben diese Infrastruktur aufgefordert wird. Die
vielzitierte schwäbische Hausfrau jedenfalls hat nicht ausschließlich
gespart, sondern immer auch ihr Haus in Ordnung gehalten.
Der Investitionsstau in Deutschland sei ein „real existierendes
Problem“, hat auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erkannt. Er
sollte diese Erkenntnis in konkretes Handeln in der Koalition
ummünzen. Wer Geld für zweifelhafte Wahlgeschenke hat, sollte auch
Mittel für wichtigere Dinge aufbringen können.
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