Thüringische Landeszeitung: Spitzfindigkeiten – Zschäpe wird ihrem Urteil nicht entgehen / Leitartikel von Florian Girwert zum NSU-Prozess

Beate Zschäpe nutzt die Gefängnisbibliothek
offenbar nicht nur für Unterhaltungsliteratur – auch juristische
Kenntnisse scheint sie sich erworben zu haben. Mit Hilfe juristischer
Spitzfindigkeiten versucht sie nämlich, das Verfahren zu sabotieren.
Nicht nur den Unmut des Vorsitzenden Richters, sondern auch das
interessierter Beobachter zieht die Angeklagte im NSU-Prozess damit
auf sich. Dem Normalbürger auf der Straße ist ohnehin nicht
klarzumachen, wie eine Beschuldigte ohne Millionenvermögen erst drei
und seit einigen Wochen vier Pflichtverteidiger gestellt bekommt.

Da ist es beruhigend zu erfahren, dass ihr das bisher nicht
gelingt. Zu wortkarg und kaum aufschlussreich sind die Einlassungen
von ihr selbst und von ihren in Ungnade gefallenen Verteidigern.
Hintergrund ihres Vorgehens könnte also sein, das Verfahren aus Sicht
einer möglichen Revision verwundbar zu machen. Tatsächlich dürfte das
Verhältnis zwischen der Angeklagten und ihren drei bisherigen
Anwälten nicht das beste sein – immerhin hatte Zschäpe selbst vor
etwa einem Jahr beantragt, sie auszutauschen. Damals hatten die
Anwälte das als unbegründet zurückgewiesen – um jetzt doch zu
beklagen, man können nicht mehr zusammenarbeiten.

Die aktuelle Verfahrensrunde, soviel dürfte klar sein, wird der
Vorsitzende Richter Manfred Götzl ohne Rücksicht auf jetzt noch
vorgebrachte Einwände über die Bühne bringen wollen – zu viel Arbeit
ist bisher geleistet worden, als dass er sich einen Prozess, den er
später als seinen bedeutendsten Fall sehen dürfte, zerstören lässt.
Der Richter dürfte den Tag herbeisehnen, an dem er das
Mammut-Verfahren über die Bühne gebracht hat – auch im Interesse der
Opfer, die teilweise schon viele Jahre lang darauf warten, endlich
Klarheit darüber zu bekommen, ob jemand für die schrecklichen
Verbrechen des NSU büßen muss.

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