Thüringische Landeszeitung: Unrecht ging weiter – 8. Mai ist kein Feiertag / Leitartikel von Norbert Block zum Kriegsende am 8. Mai 1945

Der Zweite Weltkrieg hat mindestens 60 Millionen
Menschen den Tod gebracht – auf den Schlachtfeldern, in den
zerbombten Städten, in den Vernichtungslagern der Nazis, in
Gefangenen- und Zwangsarbeiterlagern, während Flucht und Vertreibung.
Furchtbares Leid ist ferner Millionen weiteren Menschen angetan
worden – schwere Verletzungen in Folge der Kriegshandlungen,
willkürliche Verhaftungen und Internierungen, Zwangsarbeit,
Vergewaltigungen, Verschleppungen, Vertreibungen, Unterdrückung von
Volksgruppen und andere völkerrechtswidrige Taten. Das Kriegsende in
Europa und wenig später in Asien ließ die Menschen aufatmen. Denn die
Waffen schwiegen. Doch das Unrecht war damit nicht zu Ende. Der 8.
Mai ist damit kein Feiertag. Es ist ein Gedenktag. Mit ihm verbindet
sich der Wunsch nach Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern.

Das Leid der Flüchtlinge und Vertriebenen ist in den vergangenen
70 Jahren oft nur als Randereignis, als zwangsläufige Folge des
Zweiten Weltkrieges betrachtet worden. Dabei hat es nicht nur zwölf
Millionen Deutsche gegeben, die ihre Heimat verlassen mussten. Auch
Hunderttausende Polen wurden infolge des Beschlusses der Alliierten
aus dem von der Sowjetunion annektierten Ostteil des Landes
vertrieben. Mehr noch: Die Betroffenen durften in der DDR oder in
Polen das Wort Vertreibung bis Ende 1989 nicht in den Mund nehmen.
Das völkerrechtliche Unrecht war ein Tabu-Thema. Und im Westen waren
die Vertriebenen ebenfalls nicht geliebt, weil das Unrecht auch hier
oft nicht beim Namen genannt werden durfte, ohne als revanchistisch
bezeichnet zu werden.

Dabei sind es besonders Heimatvertriebene gewesen, die in den
vergangenen Jahrzehnten zur Aussöhnung mit den Menschen in Ost- und
Mitteleuropa beigetragen haben. Und somit verwundert es auch nicht,
dass die Vertriebenen von damals zu den Fürsprechern für die
Flüchtlinge von heute zählen.

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