Thüringische Landeszeitung: Welt ist im Wandel – Schottland: Gut, dass Bürger das Wort haben / Leitartikel von Matthias Benkenstein zum Schottland-Referendum

Welches Land hat eine blau-weiße Flagge und eine
Partei, die vehement für eine Abspaltung vom Gesamtstaat kämpft?
Genau: Bayern. Obwohl die Forderung der Bayernpartei meist verlacht
wird, spricht vieles für ein unabhängiges Bayern. Man denke nur an
die über tausendjährige Geschichte, die älter ist als Deutschland.
Mit mehr als zwölf Millionen Einwohnern hat der Freistaat heute eine
größere Bevölkerung als Österreich oder die Schweiz; er ist eine der
wirtschaftlich stärksten Regionen der Welt. Blau-weiß ist auch die
Flagge von Schottland, dessen Bürger heute über eine Abspaltung von
Großbritannien abstimmen. Morgen früh wird das Ergebnis wohl
feststehen, und die Chancen für ein unabhängiges Schottland stehen
nicht schlecht – im Gegensatz zu Bayern, wo die
Unabhängigkeitsbewegung bei weitem nicht so stark ist wie auf der
Insel.

Wie auch immer das Referendum ausgeht – eines steht fest: nämlich,
dass nichts feststeht. Die Geschichte zeigt, dass Staaten kommen und
gehen. Die Vereinten Nationen haben aktuell 193 Mitglieder, aber das
wird nicht für ewig so bleiben. Man muss noch nicht einmal so
exotische Beispiele wie das Städtchen Uschhorod anführen, das
innerhalb eines einzigen Tages drei verschiedenen Staaten angehörte.

Wer glaubte schon kurz vor der Wende daran, dass die DDR bald
Geschichte sein würde – oder die Sowjetunion. Der Zusammenbruch des
Kommunismus führte dazu, dass mehr als 20 Staaten neu (oder wieder)
entstanden. Rund um den Globus wurden Länder in die Unabhängigkeit
entlassen. Und wer kann schon sagen, ob Deutschland in seiner
jetzigen Form für immer existieren wird. Hätten sich die Saarländer
in den 50er Jahren anders entschieden, sähe es heute anders aus.

Auch beim Referendum in Schottland ist es wichtig, dass die Bürger
friedlich entscheiden, in welche Richtung es mit ihrem Land gehen
soll. Das war in der Vergangenheit keine Selbstverständlichkeit und
ist es heute auch noch nicht.

Pressekontakt:
Thüringische Landeszeitung
Chef vom Dienst
Norbert Block
Telefon: 03643 206 420
Fax: 03643 206 422
cvd@tlz.de