Unwürdig / Kommentar von Friedrich Roeingh zum Gedenken in Yad Vashem

Es war eine besondere Herausforderung für Frank-Walter Steinmeier.
Als erstes deutsches Staatsoberhaupt durfte der Bundespräsident in Yad Vashem
sprechen, und er hat diese Herausforderung gemeistert. 75 Jahre nach der
Befreiung von Auschwitz steht nicht mehr allein die Anerkennung der historischen
Schuld der Deutschen im Zentrum des Erinnerns. Man kann nicht des industriellen
Massenmords an den europäischen Juden gedenken, ohne sich mit aller Macht gegen
den aufkeimenden Antisemitismus zu stellen. Eines alltäglichen Antisemitismus
und eines monströsen, der sich in rechtsterroristischen Anschlägen wie in Halle
entlädt. Eine Aufgabe, zu der der Bundespräsident zwar für uns sprechen, die er
den Bürgern aber nicht abnehmen kann. Nie zuvor allerdings ist der Holocaust
politisch so instrumentalisiert worden wie bei der Gedenkfeier in Yad Vashem.
Ungut war schon der Streit im Vorfeld zwischen den Gedenkstätten Auschwitz und
Yad Vashem. Übel war das nationalistisch motivierte Fernbleiben des polnischen
Präsidenten Andrzej Duda. Infam aber war der Auftritt Wladimir Putins, der Yad
Vashem regelrecht missbrauchte. Für seine unhaltbare These, wonach polnische,
ukrainische und lettische Kollaborateure „oftmals grausamer agierten als die
Deutschen“. Und selbst der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
machte vor der Instrumentalisierung des Gedenktages nicht halt. Indem er diesen
Putin wie einen Superstar umgarnte, um auf dem Höhepunkt seiner persönlichen
politischen Krise die russischstämmigen Israelis für sich zu gewinnen. Wie
unwürdig.

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