Selten gab es in der Automobilindustrie mehr Ungewissheit über
den Verlauf eines Jahres als in diesem Februar 2020. Das gilt in besonderem Maß
für Daimler. Der Dax-Konzern hat ein katastrophales Jahr hinter sich mit
milliardenschweren Sonderlasten. Den Gewinneinbruch büßen die Aktionäre mit der
geringsten Dividende seit dem ausschüttungslosen Jahr 2010. Damit müssen die
Stuttgarter nun nicht nur den Start in die Elektromobilität beschleunigen, um
potenziell milliardenschwere Strafen wegen eines Verfehlens der
EU-Flottenemissionsziele zu vermeiden, sondern zugleich drastisch sparen, um den
Margenverfall im Kerngeschäft zu stoppen.
Laut CEO Ola Källenius hat der Konzern zwar alle Vorbereitungen getroffen –
sowohl für die Einsparungen als auch für die Elektromobilität und die
Digitalisierungsoffensive. Doch nun müssen die Pläne vom Reißbrett auf die
Straße gebracht werden. Und darin liegt die Krux. Es kann zwar kaum bezweifelt
werden, dass Daimler in der Lage ist, qualitativ hochwertige Elektroautos zu
bauen. Mit dem Entertainmentsystem MBUX liegt zudem der Beweis vor, dass Daimler
in Sachen Fahrzeug-Digitalisierung zumindest vor der deutschen Konkurrenz nicht
bange sein muss. Auch die Marge dürfte mit entsprechenden Effizienzbemühungen
wieder steigen. Källenius hat recht, wenn er sagt, es sei kaum nachvollziehbar,
dass der Premiumhersteller mit den höchsten Preisen und dem höchsten Absatz die
geringsten Margen einfährt.
Die entscheidende Frage wird sein, ob Daimler die Marke Mercedes-Benz ohne
Wertverlust ins E-Auto-Zeitalter überführen kann. In der Vergangenheit war es
oft genau diese Frage, an der Traditionskonzerne gescheitert sind. Nokia und
Blackberry haben auch gute Smartphones entwickelt. Am Ende wollten aber kaum
Kunden diese von der alten Garde kaufen und griffen lieber zu den Produkten der
Newcomer Apple und Samsung.
Damit es für Mercedes nicht ebenso endet, will Källenius die Marke neu
positionieren. Ob das klappen kann? Unklar. Dass unlängst die X-Klasse nach
wenigen Jahren wieder aufgegeben wurde, steigert das Vertrauen in die
Marktprognosen von Daimler nicht gerade. Und auch beim ersten reinen E-Auto EQC
spricht Källenius zwar von einer „sehr gesunden“ Nachfrage. Bei
batterieelektrischen Autos waren bislang indes Limousinen mit überlegener
Reichweite die dominante Bauform. Zweifel an der Daimler-Strategie dürften
anhalten. Der Vertrauensvorschuss wurde mit dem Katastrophenjahr 2019 verspielt.
(Börsen-Zeitung, 12.02.2020)
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