Völkerrechtler: „Griechische Forderungen nach Begleichung der Kriegsschulden nach deutschem Recht zulässig“ / Bundesgerichtshof zur Frage der Kriegsschulden

Der Völkerrechtler an der Universität Bremen,
Professor Andreas Fischer-Lescano, kritisiert die Haltung der
Bundesregierung zur Forderung Griechenlands nach Begleichung von
Kriegsschulden. Dem ARD Politikmagazin Kontraste sagt er: „Die
Argumentation der Bundesregierung ist juristisch sehr dürftig und
anfechtbar. Der 2+4-Vertrag bindet Griechenland nicht, denn es ist
nicht Partei dieses Vertrags. Es ist völkerrechtlich nicht zulässig,
einen Vertrag zu Lasten Dritter – in diesem Falle Griechenlands –
abzuschließen.“

Die Begründung des Bremer Völkerrechtlers wird durch die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gestützt. Bereits 2003 stellte
der III. Zivilsenat in einem Urteil (ZR 245/98) über
Entschädigungsforderungen griechischer Kriegsopfer fest, dass die
Auffassung der Bundesregierung, sämtliche Reparationsforderungen
seien mit dem 2+4-Vertrag zur Wiederherstellung der Einheit
Deutschlands obsolet geworden, nicht zutreffend sei.

In Bezug auf das Londoner Schuldenabkommen, in dem die ehemaligen
Kriegsgegner 1953 vereinbarten, dass die Verhandlungen über deutsche
Kriegsschulden bis zur Einheit Deutschlands zurückgestellt würden,
stellt der Bundesgerichtshof außerdem fest: „Das Londoner
Schuldenabkommen ist jedoch durch die abschließende Regelung im
Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands als Moratorium
gegenstandslos geworden.“ Dies bedeutet, dass die ehemaligen
Kriegsgegner nun die Möglichkeit hätten, ihre Forderungen geltend zu
machen.

Der Bundesgerichtshof stellt auch in Abrede, dass der 2+4-Vertrag
für Staaten, die nicht an den Verhandlungen beteiligt waren, einen
Verzicht auf etwaige Forderungen bedeuten würde. Wörtlich heißt es
dazu: „Soweit sie (die Vertreter der Bundesregierung – Anm. der
Redaktion) im vorliegenden Prozess darüber hinaus meint, der
Zwei-plus-Vier-Vertrag schließe sämtliche unter Art. 5 Abs. 2
LondSchAbk fallenden Individualansprüche endgültig aus …, hat dies
allerdings, was die streitigen Ansprüche der Kläger angeht, keine
Grundlage, weil – abgesehen davon, daß Griechenland nicht
Vertragspartei war -nicht ersichtlich ist, woraus sich ein Verzicht
dieses Staates auf individuelle Ansprüche zu Lasten seiner
Angehörigen ergeben und seine Wirksamkeit herleiten soll.“

Mit anderen Worten, weil Griechenland nicht an den Verhandlungen
zur deutschen Einheit beteiligt war, könne es formal auch nicht auf
mögliche Reparations- oder Schadenersatzansprüche verzichtet haben.
Dazu Andreas Fischer-Lescano: „Griechenland hat zu keinem Zeitpunkt
völkerrechtlich wirksam auf Reparationen verzichtet. Die ehemaligen
Kriegsgegner haben nun die Möglichkeit, ihre Forderungen geltend zu
machen.“

Die Hintergründe dazu: Kontraste am 12. März 2015, 21.45 Uhr im
Ersten

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