WAZ: Anschlag auf die Demokratie – Kommentar von Christopher Shepherd

Nicht zum ersten Mal ist ein Spitzenbanker in
Deutschland Ziel eines Anschlags geworden: So starb 1989 der
Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen nach einem Bombenattentat. 1977
ermordete die RAF den Chef der Dresdner Bank, Jürgen Ponto. Dass nun
nicht auch Josef Ackermann Opfer wurde, ist vor allem auf das
Sicherheitssystem der Deutschen Bank zurückzuführen. Nun mag man von
Ackermann halten, was man will. Man darf ihm vorwerfen, ein
Raubtier-Kapitalist zu sein, ihn schelten für seine Forderung nach
einem Renditeziel von 25 Prozent. Man kann verurteilen, dass er kalt
lächelnd 6000 Stellen streicht, nachdem er einen Milliardengewinn für
die Deutsche Bank verkündete. Solche Kritik muss der Chef des größten
deutschen Kreditinstituts aushalten. Wenn aber seine körperliche
Unversehrtheit angetastet wird, ist das Recht auf Widerstand längst
überschritten. In einem Schreiben bekennen sich Autonome zu der
Briefbombe an Ackermann. Sie glauben, so gegen „Blutsauger und
Zecken“ vorzugehen, sich also vordergründig für eine gerechtere Welt
einzusetzen. Doch auf der anderen Seite treten sie die Ethik mit
Füßen und maßen sich das Recht an, einen anderen Menschen zu töten.
Was für eine Verblendung. Da ist es gut, dass die bankenkritische
Bewegung „Occupy“ den Anschlag verurteilte. Gegen das System darf
jeder protestieren. Aber mit friedlichen und demokratischen Mitteln.

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