WAZ: Anschluss unter alter Nummer – Kommentar von Dietmar Seher

Spinnen die Verkehrsminister? Haben wir nichts
Wichtigeres zu tun? Natürlich haben wir das. Für neue Energien sorgen
und den Frieden in Libyen. Die Renten sichern und die Steuern gerecht
verteilen. Wir müssen hochstapelnde Minister nach Hause schicken und
arrogante Parteivorsitzende hinterher. Aber CAS statt RE? WAT statt
BO? Die alten, längst verrosteten Autoschilder von damals wieder
ausgraben? Schon wer den Retro-Beschluss von Potsdam mit den
„Marketing-Möglichkeiten für die Kommunen“ begründen möchte, hat nur
eine Hälfte verstanden. Es geht – ja, um Heimat. Um die der
Dinslakener und der aus Wanne-Eickel. Um das Wir-Gefühl der
Wattenscheider. Es geht auch um den Abbau des Ärgers, den das „Gesetz
zur Neugliederung der Städte, Gemeinden und Kreise“ von 1975
auslöste. Es stülpte vertrauten Orten anonyme, große Stadtgebilde
über. Die aufgezwungenen Kfz-Kennzeichen wurden Symbol für die
Verletzung des Stolzes von ganz vielen. Der Ministerbeschluss ist
also gar nicht so spinnert. Politik nimmt hier Rücksicht auf Gefühle.
Das ist selten. Das lässt auch Bürger wieder enger an die Politik
rücken. Merken sollten sich das die, die gerne nur in großen
Zusammenhängen denken. Die, die „Metropole Ruhrstadt“ wollen, zum
Beispiel. R für Ruhrstadt? Geht nicht.

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