WAZ: Auch der siebte ist ein Alltag – Kommentar von Stefan Schulte

Heilig ist der Sonntag den meisten schon lange nicht
mehr. Selbst streng gläubige Katholiken sollen schon mal sonntags
Brötchen gekauft und montags eine am heiligen Vortag geschriebene
Zeitung gelesen haben. Weil das so ist, weil wir auch am siebten Tage
kaufen und konsumieren wollen, steht die verfassungsrechtlich
geschützte Sonntagsruhe auf engelsgeduldigem Papier. Wer das
verwerflich findet, sollte kurz überlegen, ob er wirklich noch nie
sonntags tanken war oder ein Restaurant beehrt hat.

Vor 20 Jahren noch hat das Land seine Servicewüste beklagt. Der
sonntäglichen Nachfrage sind das Angebot und der Gesetzgeber mit
einer Liberalisierung gefolgt. Diesen marktwirtschaftlichen Vorgang
hat aller Kapitalismuskritik zum Trotz ein Großteil der Gesellschaft
selbst angeschoben. Doch auch wer das normal findet, darf es ruhig
wertschätzen, wenn die Frau hinterm Bäckereitresen sonntags um acht
Milchhörnchen in die Tüte packt und der Kellner abends tapfer
lächelt, obwohl er viel lieber den „Tatort“ sehen würde. Zumal die
schönen Sonntagszuschläge nur Tarifbeschäftigte erhalten – und nicht
die feiertags besonders gern gebuchten Aushilfen.

Kleiner Praxistipp: So steuerfrei wie die Tarifzuschläge sind auch
die Trinkgelder.

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