WAZ: Das Energiegutachten – Zwei Lesarten – Kommentar von Jürgen Polzin

Hurra, es ist da – das lange erwartete
Energiegutachten. Ergebnis: eine Expertise, zwei Lesarten und jede
Menge Ärger. Nein, die Bundesregierung ist in der Atompolitik nicht
merklich weiter gekommen. Mit Ach und Krach zimmert
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) aus dem Zahlenwerk
die Botschaft, dass längere Reaktorlaufzeiten gut fürs Klima sind und
obendrein die Stromrechnungen von Industrie und Privathaushalten
entlasten werden. Das Ergebnis war zu erwarten, ist aber selbst für
Experten schwer nachvollziehbar. Bislang galt, dass für den
Strompreis stets die Kosten des teuersten Kraftwerks auf dem Markt
maßgeblich sind. Wie kann billiger Atomstrom aus abgeschriebenen
Kraftwerken plötzlich so wichtig für die Preisbildung werden?
Wundersames setzen die Energieszenarien auch in unseren vier Wänden
voraus. Weil wir in Deutschland ratzfatz supergedämmte Häuser haben
werden, wird sich unser Energieverbrauch halbieren. Die Wirklichkeit
sieht so aus: Mit Mühe wird aktuell pro Jahr ein Prozent des
Gebäudebestands energetisch saniert. Ein Laufzeitplus von zehn bis 15
Jahren hält Kanzlerin Angela Merkel für „fachlich“ vernünftig. Doch
festgezurrt ist noch nichts.

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