WAZ: Das Geheimnis des Alterns – Das Buch des Lebens. Kommentar von Christopher Onkelbach

Im Juni 2000 wurde das Buch des Lebens
veröffentlicht. Die erste Entschlüsselung des menschlichen Genoms
wurde verkündet. Der Text, den wir alle als Bauplan in uns tragen,
besteht aus drei Milliarden Buchstaben. Dieser Erfolg wurde als
Jahrhundertereignis gefeiert, die Wissenschaft könne nun die
Geheimnisse des Lebens entziffern – wenn man das Buch nur zu lesen
verstünde.

Die meisten Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Der Gedanke, für
jede Eigenschaft, für jedes Merkmal – Augenfarbe, Körpergröße,
Geschlecht, Intelligenz – oder für jede Krankheit sei ein Gen
zuständig, das man nur identifizieren müsse, erwies sich als Irrtum.
Eine Vision nach der anderen zerstob. Es ist das Zusammenspiel vieler
Gene und der von ihnen produzierten Proteine, die sich im Menschen
ausprägen. Wie das genau vor sich geht, ist noch lange nicht
verstanden. Der medizinische Nutzen der Erbgutentschlüsselung,
bekannte Genpionier Craig Venter kürzlich, gehe bisher gegen null.
Das soll den Erfolg der US-Forscher, die bei alten Menschen bestimmte
Genvarianten entdeckten, die Langlebigkeit fördern, nicht schmälern.
Doch besagt diese Entdeckung nicht, dass jeder, der diese Gene trägt,
auch uralt wird. Das Genom erzählt nicht viel mehr als
Wahrscheinlichkeiten. Der Rest liegt bei uns.

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