WAZ: Dem Papst fehlt das Händchen fürs Personal – Kommentar von Paul Kreiner

Dass Benedikt XVI. kein Händchen hat fürs Personal,
das weiß man aus seinen Zeiten als Uni-Professor. Dass es unklug war,
Tarcisio Bertone zum Kardinalstaatssekretär, zum Spitzenmann der
Kurie und damit zur „Nr. 2“ im Vatikan – quasi zum
Ministerpräsidenten – zu befördern, auch daran besteht kein Zweifel.
Bertone mag Ratzinger als Theologe in der Glaubenskongregation, als
„Mann fürs Grobe“, viel geholfen haben, ihm fehlen aber die
Manager-Fähigkeiten zum Führen eines Behördenapparats und jegliches
politische Gespür. Das wirkt sich als Lücke in der Kirchenleitung
umso gravierender aus, als auch Benedikt XVI. mit politischem Gespür
nicht eben gesegnet ist. Die Unruhen im Vatikan wachsen aus dieser
Lücke. Dass Bertones Seilschaften eigenhändig an den Intrigen der
vergangenen Jahre mitgestrickt haben, macht die Sache noch schlimmer.
Bei den Machenschaften heute weiß man im Einzelnen gar nicht mehr,
wer welche Folgen gegen wen oder für jemanden bezweckt; das
Gesamtbild des Vatikans indes ist verheerend. Der Papst könnte sich
etwas Luft verschaffen, indem er wenigstens Bertone in Pension
schickte. Das unterbleibt aber, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Benedikt konzentriert sich lieber auf anderes: Er korrigiert ein
Versäumnis im Heiligsprechungsprozess der Hildegard von Bingen aus
dem 14. Jahrhundert. Das sind für ihn offenbar die wirklich wichtigen
Dinge.

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