Hunderttausende Pendler an Rhein und Ruhr hatten
gestern Morgen die gleichen Gedanken gehabt. Sie haben an den großen
Streik vor drei Jahren gedacht. An die Pannen zum Winterauftakt im
Dezember. Sie haben die Eiseskälte auf dem Bahnsteig gespürt. Und
geflucht: verdammte Bahn. Claus Weselsky, der Chef der
Lokführergewerkschaft, muss gar nicht erst sympathieheischend in der
Öffentlichkeit auftreten. Sympathie gibt es für die Aktion kaum, den
Schienenverkehr der Republik zu lähmen. Dabei neidet niemand den
Lokführern guten Lohn. Sie tun einen schweren Job. Der Druck der
Verantwortung ist, mit 400 Fahrgästen an Bord, durchaus mit der von
Piloten vergleichbar, die zehn Mal besser bezahlt sind. Ihre
Arbeitsbedingungen sind nicht ideal. Es ist einiges, für das sich zu
kämpfen lohnt. Aber wieso können sich die zerstrittenen
Bahngewerkschaften nicht auf ein einheitliches Vorgehen bei den
Verhandlungen einigen? Warum gelingt hier nicht, was zwischen
Beamtenbund und verdi bei Bund und Ländern funktioniert – die
Tarifgemeinschaft? Weil die Funktionäre Profilneurosen entwickeln?
Weil es eine Versuchung darstellt, mit einer kleinen Gruppe das
Gemeinwesen vorzuführen? Gemeinsam ist man stärker, ist die Grundidee
der Gewerkschaftsbewegung. Also ist dieser Streik auch für die
Streikenden schädlich.
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