WAZ: Die Gründe für das Jobwunder. Kommentar von Stefan Schulte zum Arbeitsmarkt

Das passt doch nicht zusammen: Beschäftigungsrekord
und Arbeitslosen-Tiefstände sind nicht eben das, was man in Zeiten
lahmer Konjunktur erwarten darf. Selbst die alte Regel, dass
wirtschaftliche Einbrüche sich erst mit einem halben Jahr Verzögerung
am Arbeitsmarkt bemerkbar machen, zieht hier nicht. Denn just vor
einem halben Jahr ist die deutsche Wirtschaft geschrumpft, vom
verzögerten Nackenschlag aber keine Spur. Sind etwa alle Unternehmer
zu reinen Gutmenschen geworden? Nein, das vermeintliche Jobwunder
erklärt sich anders. Die schlechten Daten lieferte im Frühjahr und
Sommer vor allem das produzierende Gewerbe, die Exportwirtschaft.
Diese Branchen spüren gleichzeitig bereits den Fachkräftemangel. Wer
bereits Schwierigkeiten hat, Stellen zu besetzen, wird sich dreimal
überlegen, ob er auf eine kurzfristige Auftragsschwäche gleich mit
Kündigungen reagiert. Denn dann verpasst er den nächsten Aufschwung
mangels Fachpersonal. Dieses neue Verhalten ließ sich bereits in der
Wirtschaftskrise 2009 beobachten. Die neuen Jobs entstehen aber vor
allem im Handel und bei Dienstleistern. Sie profitieren von der
ungebrochenen Konsumfreude der Deutschen. Die Frage ist nur, wie
lange diese Branchen die Durststrecke der Industrie auffangen können.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de