WAZ: Die Praxis und die Theorie. Kommentar von Stefan Schulte zum Versorgungsgesetz

Nein, es wird nächstes Jahr nicht jede dritte
Facharztpraxis schließen. Die geplanten Anpassungen wären ein
schleichender Prozess, zudem erhält die Ärzteschaft Mitspracherecht –
insofern sind die Warnungen übertrieben. Falsch macht sie das nicht.
Schnellere Termine mit weniger Praxen hinzukriegen, klingt ziemlich
tollkühn. Bleibt die Idee, Praxen aus überversorgten Städten raus
aufs unterversorgte Land zu verfrachten, ein papierner Wunschtraum,
wird die Versorgung sowohl auf dem Land als auch in der Stadt
schlechter. Weil das niemand wollen kann, dürfte es vom Entwurf bis
zum Gesetz noch einige Änderungen geben. Wichtig wäre vor allem
genügend Spielraum in der Einzelfall-Entscheidung über eine
Praxisschließung. Denn auch der Patient in einer statistisch
überversorgten Stadt hat nicht wirklich das Gefühl, es gebe zu viele
Ärzte. Gerade zu Fachärzten nehmen viele Patienten auch weite Wege in
Kauf, entsprechend ausgelastet sind sie. Macht der Facharzt in der
Stadt dicht, ohne dass einer aufs Land zieht, werden die Wege nur
noch weiter.

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