WAZ: Die Verlierer der Rabattschlachten. Kommentar von Stefan Schulte zu Bauernprotesten

Was haben wir über den Bahn- und den Poststreik
gestöhnt. Nun erinnern uns die französischen Bauern eindrucksvoll
daran, dass Streiks in Deutschland doch vergleichsweise geordnet
vonstatten gehen. Sie dürfen nur aktuellen Tarifauseinandersetzungen
dienen – politische Streiks wie in Frankreich sind verboten. Dass
Bauern Lkw aus dem Nachbarland wieder nach Hause schicken, wenn ihnen
die Fracht missfällt, wäre in Deutschland undenkbar. Zurecht – denn
es verletzt nicht nur die Gepflogenheiten guter Nachbarn, sondern
auch das Wesen des europäischen Binnenmarktes. Auch in der Sache
liegen Frankreichs Landwirte daneben. Die deutschen Bauern wären die
Letzten, die etwas gegen höhere Erzeugerpreise hätten. Dass sie immer
günstiger produzieren müssen, ist dem längst globalen Agrarhandel und
dem Preiskrieg im deutschen Supermarkt geschuldet. Die Verbraucher
profitieren davon. Mit ihrem ausgeprägten Preisbewusstsein – Deutsche
geben deutlich weniger für Lebensmittel aus als Franzosen – fachen
sie den Wettbewerb zugleich an. Dass die Rabattschlachten der großen
vier – Edeka, Rewe, Lidl und Aldi – bedenkliche Ausmaße angenommen
haben, beklagte unlängst auch der Konsumgüterriese Unilever (Knorr,
Langnese, Axe) und forderte: „Der Wahnsinn muss ein Ende haben.“ Doch
das ist naiv. So lange genügend Erzeuger zu den Bedingungen von Aldi
& Co. produzieren können und genügend Ketten überleben, geht der
Preiskampf weiter.

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de