WAZ: Ein zahnloser Tiger. Kommentar von Daniel Freudenreich

Es ist jedes Jahr dasselbe Ritual: Der Rechnungshof
macht einen Kassensturz, liest der Regierung die Leviten, zeigt
milliardenschwere Sparpotenziale auf und stellt Ministerien an den
Pranger, die Geld verschleudern. Dann gibt es einen kurzen Aufschrei,
doch unter dem Strich passiert wenig.

Bei den großen Spar-Vorschlägen ist dies nachvollziehbar. Für den
Rechnungshof ist es leicht, eben den Kahlschlag bei den Subventionen
zu fordern. Für eine Regierung ist es aber eine undankbare Aufgabe,
weil sie die Prügel vom Wähler kassiert. Anders muss es sich
verhalten, wenn der Rechnungshof die Geldverschwendung im Einzelfall
anprangert. So ist es nicht nur hochnotpeinlich, wenn die Bundeswehr
Millionen Euro in untaugliche Schlauchboote pumpt, sondern schlicht
eine Vernichtung von Steuergeldern. Es kann nicht angehen, dass die
Krankenkassen Präventionskurse bezahlen, deren Nutzen unklar ist.

Der Rechnungshof könnte seiner Arbeit ungleich mehr Nachdruck
verleihen, wenn er Sanktionsmöglichkeiten hätte. Doch er kann
Missstände bisher nur anprangern und ist damit ein zahnloser Tiger.
So wird sich auch in den nächsten Jahren dasselbe – weitgehend
wirkungslose – Rüffel-Ritual wiederholen.

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