WAZ: Eine Frage der Glaubwürdigkeit – Kommentar von Martin Gehlen zur Festnahme des Reporters

Im Rückblick ist es immer noch schwer zu glauben,
wie haarsträubend die deutsche Diplomatie den Besuch des ägyptischen
Diktators Abdel Fattah al-Sisi in Berlin verstolperte. Keine
politische Konzession wurde dem unangenehmen Besucher vom Nil
abgetrotzt, alle Bedenken unter dem Milliardengeschäft für Siemens
begraben.

Wenn nicht Bundestagspräsident Norbert Lammert und eine junge
mutige Exil-Ägypterin für einen Moment den Vorhang der
Beschwichtigungen und Schönfärbereien zerrissen hätten, hätte man
glauben können, Deutschland habe an der neuen Tyrannei in Kairo im
Großen und Ganzen nichts mehr auszusetzen.

In dieses dubiose Bild passt auch die spektakuläre Festnahme des
arabischen Journalisten in Berlin, auch wenn die deutschen Behörden
den Mann wohl nicht an die Willkürjustiz Ägyptens ausliefern.
Trotzdem stellen solche Vorgänge den angeblich so wertefesten und
alteingesessenen Demokratien des Alten Kontinents kein gutes Zeugnis
aus.

Denn bei den Supereinkäufen, die der Sonnenkönig vom Nil mit den
Kreditkarten seiner Golf-Gönner tätigen darf, möchte keiner leer
ausgehen. Leer ausgehen jedoch wird die demokratische Glaubwürdigkeit
Europas, wie die Aktivisten am Nil völlig zu Recht und bitter
beklagen.

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