WAZ: Euro und die Hartz-IV-Union – Leitartikel von Thomas Wels

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, in welch
großer Gefahr sich der Euro und die Idee der europäischen Einheit
befinden, hat Angela Merkel ihn jetzt erbracht. Faule Griechen liegen
am Strand, fleißige Teutonen erschuften mühsalgeplagt die nötigen
Steuergroschen. Wie groß muss der Druck in der schwarz-gelben
Koalition sein, dass die Bundeskanzlerin solche Bilder mit dem groben
Keil meißelt? Ja, es ist enorm viel schiefgelaufen in der
Währungsunion. Schuld an dem Elend aber hat niemand anderes als die
Politik. Deutschlands Gerhard Schröder und Frankreichs Jacques Chirac
haben 2005 den Stabilitätspakt geschleift, weil ihnen das bequemer
erschien als zu sparen. Alle haben sie in der Europäischen Union die
Augen zugedrückt, als es um die Aufnahme der Hellenen ging. Jeder
wusste, dass Griechenland die Schuldengrenzen nicht einhält, wie
übrigens Belgien und Italien auch nicht. Es wurde gebogen und
gezogen, um den politischen Willen gegen ökonomische Fakten
durchzusetzen. Die Währungsunion ist eine große politische Idee, eine
Frage von Krieg und Frieden (Helmut Kohl). Den Geburtsfehler, dass
man starke und schwache Volkswirtschaften zusammenzwingt über eine
gemeinsame Währung, wollten gerade die Deutschen mit dem
Stabilitätspakt und strikten, strafbewährten Schuldengrenzen mildern.
Und mit dem eisernen Gesetz: Kein Land steht für die Schulden des
anderen ein. Das ist Geschichte. Und Frau Merkel trägt einen guten
Teil Verantwortung dafür, dass nun eine Hartz-IV-Gemeinschaft
entsteht. Eine Gemeinschaft, in der die Starken für die Schulden der
Schwachen aufkommen, für Schulden, die es hätte eigentlich nie geben
dürfen. Die Kanzlerin konnte sich nicht mit der Forderung nach
automatischen Strafen bei Schuldenmacherei gegen Frankreich
durchsetzen. Und damit hat sie die bisherige Stabilitätspolitik der
Deutschen, von zwei Hyper-Inflationen tief geprägt, verraten. Da das
nicht der einzige Verrat an Werten der Konservativen in der CDU war,
gerät sie innerparteilich unter Druck und sagt Sätze wie die über die
Griechen. Damit bedient sie gerade jenen Nationalismus, den Euro und
Europa überwinden sollten. Mal sehen, wie lange es jetzt dauert, bis
uns die Franzosen wieder zu niedrige Löhne vorwerfen. Fazit: Der Euro
scheitert, weil die Deutschen nicht für Schulden anderer haften
wollen. Schuld daran tragen nicht die Griechen, sondern die
Politiker.

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