WAZ: Europa darf sich nicht verstecken – Kommentar von Knut Pries zum Flüchtlingsgipfel

In der EU-Flüchtlingspolitik sind Handlungsnot und
Handlungsfähigkeit in ein gefährliches Missverhältnis geraten.
Sinnfälliger Ausdruck ist ein Sondergipfel reich an Bekenntnissen –
und arm an Beschlüssen. All die wohlmeinenden Vorschläge müssen nun
umgesetzt werden. Doch überall türmen sich gigantische
Schwierigkeiten auf.

Beispiel eins: Zerstörung der vor Anker liegenden Schleuser-Boote.
Dazu bräuchte es ein Mandat des UN-Sicherheitsrats. Das aber ist
wegen des Zerwürfnisses mit der Vetomacht Russland illusorisch.
Beispiel zwei: Verteilung der Flüchtlinge nach fairen Prinzipien auf
die EU-Staaten. Doch was ist, wenn die Betroffenen die
Bewegungsfreiheit in der EU nutzen, um woanders hinzuziehen? Beispiel
drei: Legale Zuwanderung, um der illegalen den Boden zu entziehen.
Wie aber verhindert man, dass die Abgewiesenen es dann auf dem
irregulären Weg versuchen?

Zu lindern sind die Folgen trotzdem, die Bereitstellung
zusätzlicher Mittel vorausgesetzt. Mehr tun kann die EU bei der
Seenotrettung, beim Kampf gegen die Schlepper, bei der Hilfe für die
taumelnden Staaten in Nordafrika. Ein allumfassender Masterplan ist
von ihr nicht zu verlangen. Wohl aber, dass sie sich nicht hinter
angeblichen Unmöglichkeiten versteckt – sondern ihre beträchtlichen
Möglichkeiten mobilisiert.

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