WAZ: Europas Fußball und die Diktatur. Kommentar von Ulrich Reitz

Aus Protest gegen die unmenschliche Behandlung von
Julia Timoschenko durch ihren Nachfolger Janukovich fährt Borussia
Dortmunds Geschäftsführer Watzke nicht zur
Fußball-Europameisterschaft. Vermutlich juckt Watzkes Geste den
Diktator herzlich wenig. Aber Watzke verhält sich allemal anständiger
als der Rennfahrer Vettel, dem sein Reifendruck demonstrativ
wichtiger war als das Unterdrücker-Regime in Bahrain.

Nebenbei räumt Watzke auf mit der Legende vom angeblich
unpolitischen Sport. Allein die Vergabe der EM in die Ukraine war
eine politische Entscheidung, weshalb auch ausgemachter Unsinn ist,
wenn Uefa-Präsident Platini zu Timoschenko schweigt, weil die Uefa
keine politische Organisation sei.

Nun will Janukovich die Fußball-Festspiele nutzen. Die Ukraine
soll als Land der Völkerverständigung dastehen. Ein Boykott hilft
nichts, schon der gegen Olympia 1980 in Moskau wegen des
Afghanistan-Einmarsches der Sowjetunion verpuffte. Aber weshalb
sollten Spieler und Funktionäre keine politische Meinung haben?
Weshalb sollten sie schweigen? Für eine Demokratur ist ein
sportliches Großereignis Chance und Gefahr zugleich. Es wären viel
weniger Bilder der Opposition aus Bahrain gezeigt worden ohne das
Rennen. Der Westen kann seine Chance nutzen, er darf sich halt nur
nicht seinen Schneid abkaufen lassen.

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