Wenn Angela Merkel eines besitzt, dann feinste
Antennen für Machtverschiebungen. Bei der FDP, dem kleinen, noch
immer von Sturm und Drang getriebenen Koalitionspartner, verschieben
sich gerade die Machtsphären. Guido Westerwelle, der irreparabel
angeschlagene Parteichef, ist ein Mann von gestern. Sein
monothematischer Feldzug für einfach-niedrig-gerechte Steuersenkungen
hat ihn verbrannt. Westerwelle steht, auch wenn das heute noch keiner
bei den Liberalen laut sagt, auf Dauer denen im Weg, die der Partei
neue Gestaltungsspielräume eröffnen wollen, in denen individuelle
Freiheit und der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft glaubwürdig
zusammengehen. Zu ihnen zählt Christian Lindner, der seit der
Krisenklausur vom vergangenen Wochenende weit mehr ist als nur
Generalsekretär der Liberalen. Lindner wird, je tiefer es in die
Debatte um ein neues Parteiprogramm geht, in die Rolle des heimlichen
Vorsitzenden wachsen. Wird das neue Parteiprogramm der Rettungsanker
für die in den Wählerumfragen auf vier Prozent abgestürzte FDP, ist
er die Nummer eins. Merkel ahnt das. Drum hat sie dem Star im
Wartestand gestern schon mal die Folterwerkzeuge gezeigt.
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