WAZ: Flucht nach vorn. Kommentar von Miguel Sanches

Das nennt man klassisch eine Flucht nach vorn.
Christian Wulff bereut und macht sich sogar zum gläsernen
Präsidenten, indem er nun alle Details des viel diskutierten Kredits
offenlegt. Warum nicht gleich so?

Die Offenheit und die Einsicht verdienen Respekt. Etwas zu
bereuen, fällt jedem von uns schwer; öffentlich erst recht. Es kommt
zwar etwas spät und nach Druck zustande. Aber wem die Würde des Amtes
etwas bedeutet, der sollte Ruhe geben.

Rufschädigend war weniger das Darlehen selbst, sondern Wulffs
Umgang mit der Wahrheit. List gehört zur Politik. Wer sollte den
ersten Stein werfen? Aber: Als Bundespräsident hätte er wissen
müssen, dass er nicht im selben Stil weitermachen konnte. Der erste
Mann im Staat hat eine Vorbildfunktion. Und so wie er gestern
reagiert hat, so hätte er gleich beim ersten Zweifel, bei der ersten
Nachfrage handeln müssen.

Wenn nichts nachkommt, hat Christian Wulff gestern den Kopf aus
der Schlinge gezogen. Was bleibt, ist eine Instinktlosigkeit, ein
Fleck auf Wulffs Weste. Er wird verblassen. Aber Wulff sollte den
Vertrauenskredit nicht strapazieren. Da darf nicht mehr viel
nachkommen.

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