Es war angemessen, dass die EU-Abgeordneten sich
anhörten, was der Papst ihnen zu sagen hatte. Zwar gibt es im
Parlament nur eine Fraktion, die sich mehrheitlich direkt auf das
Christentum beruft, und die Anhänger der katholischen Lehre sind
jedenfalls eine Minderheit. Aber bekennende Verkünder der
„Wertegemeinschaft“ Europa sind sie allemal. Und von Werten versteht
der Heilige Vater etwas. Es war denn auch in diesem Sinne gut und
wohl, was Franziskus den Volksvertretern und damit uns allen zu
bedenken gab: Dass dieses Haus Europa, so wie es eingerichtet ist,
viele inhumane Züge hat: beim Umgang mit Armen, Alten, Flüchtlingen,
Arbeitslosen und der natürlichen Umwelt. Dass es einem krassen
Konsumismus frönt, dass allenthalben Egoismus den Gemeinsinn
verdrängt und dass die Jagd nach materiellem Wohlstand „ein großes
ideelles Vakuum“ hinterlässt. Was Franziskus zu sagen hatte, war eine
Sonntagsrede, im guten wie im schlechten Sinne: Gut, weil er an Werte
erinnerte, ohne die ein menschliches Gemeinwesen nicht zustande
kommt. Schlecht, weil er offen ließ, wie die Kluft zwischen hohen
Idealen und schäbiger Realität zu schließen wäre.
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