WAZ: Gefährliche Gelassenheit. Kommentar von Rolf Obertreis

Tagelang hatten Börsianer gebannt auf die Kurstafel
im Frankfurter Börsensaal geschaut. Am Freitag war es so weit:
Erstmals überwand der Deutsche Aktienindex DAX in seiner 25-jährigen
Geschichte die Schwelle von 9000 Zählern. Die Händler jubelten zwar
am Freitag. Trotzdem ist von Euphorie nichts zu spüren. Der Grund:
Der Optimismus der institutionellen Investoren – bei Großanlegern wie
Fonds, Versicherungen und Pensionskassen – ist verflogen. Auch
Privatanleger sind eher zurückhaltend. Dennoch bleibt das Umfeld für
Aktien weiter günstig: Die Notenbanken in den USA, in Europa und
Japan lassen nicht erkennen, dass sie die geldpolitischen Zügel in
nächster Zeit anziehen werden. Was die Börsianer verkennen: Die
Risiken sind nicht aus der Welt. Die Schuldenkrise in Europa ist
nicht überwunden, ebenso wenig die Finanzprobleme in den USA. Die
Wirtschaft in Deutschland läuft nicht richtig rund, wie der wieder
schwächere Ifo-Index zeigt. In Südeuropa ist die Wirtschaftsflaute
nicht vorbei. Auch in den für die Weltwirtschaft und für deutsche
Exporte wichtigen Schwellenländern läuft es eher holprig. Zu Recht
sehen Kritiker deshalb an der Börse eine „gefährliche Gelassenheit“.

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