WAZ: Gefährlicher Trend – Kommentar von Dietmar Seher

Mit Zynismus reagieren die Wartenden, wenn die
Lautsprecherstimme auf dem Bahnsteig wieder mal von der Verspätung
„wegen Verzögerung im Betriebsablauf“ erzählt oder von „Personen im
Gleis“. Wahr ist: Dem Staatsunternehmen werden, wohl nicht immer
unberechtigt, alle möglichen Ausreden für eigene Pleiten und Pannen
unterstellt. Wahr ist aber auch: Das Unternehmen Bahn ist zunehmend
Opfer von Diebstahl, Vandalismus, bodenlosem Leichtsinn. Der
willkürlich hingekippte Steinhaufen im Gleis führt schnell zum Unfall
oder zu Verletzungen – in jedem Fall aber zu den berüchtigten
„Verzögerungen im Betriebsablauf“. Der bringt Ärger und auch
wirtschaftliche Schäden. Gefährliche Eingriffe in den Bahnverkehr
sind kriminell – und ein gesellschaftlicher Trend, der sich noch an
anderen Stellen zeigt: an der Autobahnbrücke, von der Unbekannte
Steine schleudern. In der Baumschule, in der Neupflanzungen
abgeknickt werden. Auf öffentlichen Plätzen, wo Kunst mutwillig
zerstört wird. Der Respekt vor dem Eigentum, vor Interessen oder der
Gesundheit anderer ist geschrumpft. Dass Kinder und Jugendliche oft
Verursacher der Vorfälle sind, macht es nicht besser. Irgendwas ist
in der Erziehung verunglückt. Zur Erinnerung: Eltern sind nicht nur
erziehungsberechtigt. Sie sind auch erziehungsverantwortlich.

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