WAZ: Gute Kitas statt Großelternzeit – Kommentar von Birgitta Stauber-Klein

Das ist sie also, die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf, für die das Familienministerium so vehement kämpft: Viele
junge Frauen, die gerade im Beruf Fuß gefasst haben, sagen erst
einmal ihren Kollegen und dem Arbeitgeber auf Wiedersehen. Ein Jahr
gibt es Elterngeld als Lohnersatz, dann beginnt der Ansturm auf die
Kitaplätze für Kleinkinder. Wer leer ausgeht, kann sich künftig mit
dem Betreuungs-Taschengeld von 150 Euro noch ein wenig über Wasser
halten. Und wenn dann das zweite Kind kommt, geht alles von vorn los.
Ist nach sechs Jahren Familienpause der alte Job noch warmgehalten
oder ein neuer gefunden, beginnt für die Mutter der anstrengende
Spagat zwischen den halbherzigen Betreuungsmodellen für Schulkinder
(„offener Ganztag“) und den immer noch unflexiblen Betrieben. Die
Kinder werden älter, die eigenen Eltern auch. Wenn sich alles
eingependelt hat zwischen Job und Familie, droht die
Pflegebedürftigkeit von Oma und Opa. Wieder lautet die Lösung von
Kristina Schröder: Söhne und Töchter (in der Realität sind es
Töchter) können im Beruf kürzer treten – mit der Pflegezeit. Wenn
diese Phase endet, sind die Kinder erwachsen. Doch von ein paar
Jahren Ruhe im Job bis zur Rente kann wieder keine Rede sein. Die
Enkel sind da! Wie gut, dass es die Oma gibt, die bei der Betreuung
einspringt und sich freistellen lässt. Welche Erwerbsbiografie wird
da eigentlich unterstützt? Wie sollen sich Frauen im Job etablieren,
wenn sie sich immer wieder davon verabschieden? Aus Sicht der
Arbeitgeber ist das wahrlich kein Anreiz, Frauen zu fördern.
Abgesehen davon sind viele Familien auf durchgehend zwei volle
Einkommen angewiesen. Was Familien brauchen, um in den Alltag Ruhe
und Luft zum Durchatmen zu bringen, ist ein verlässliches,
hochwertiges Betreuungssystem für Kinder und Pflegebedürftige. Und
einen Arbeitgeber, der Rücksicht nimmt. Die Einführung einer
Großelternzeit wirkt angesichts dieser großen Aufgabe mehr als
hilflos.

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