Die Welt dreht sich weiter. Was 2004 wie eine
unvergessliche Katastrophe erschien, wird in dem an natürlichen
Desastern reichen Asien zum Teil lieber wieder verdrängt. Behörden
verschieben just in diesen Tagen der Tourismus-Hauptsaison in
Thailand lieber Evakuierungsübungen, um die Kundschaft nicht mit
unliebsamen Erinnerungen zu behelligen.
Die Küstenbewohner haben zehn Jahre nach der Katastrophe noch
immer nicht ihr Vertrauen in die Behörden wieder gefunden. Statt auf
öffentliche Hinweise und Warnungen verlassen sie sich lieber auf ein
informelles Netzwerk von Freunden und Bekannten, das sich scheinbar
zumindest über ganz Südostasien erstreckt. Innerhalb von Minuten
werden sie per Mobiltelefon aufgeschreckt, wenn irgendwo in der
Region ein stärkeres Erdbeben eine neue Flutwelle ausgelöst haben
könnte. Insgesamt ist die Region besser für eine neue Katastrophe
gerüstet als vor zehn Jahren. Tsunami wurde eine Allerweltsbegriff.
Es ist schier unvorstellbar, dass naive Urlauber noch einmal zum
Fischesammeln losrennen, sobald unmittelbar vor der Flutwelle das
Meerwasser erst einmal für kurze Zeit verschwindet.
Gerade in den Zeiten, in denen Ausländerhass, religiöser
Dogmatismus und Intoleranz zunehmen, erinnert die weltweite Reaktion
nach dem Tsunami an eine Grenzen übergreifende und überwindende Seite
der Menschheit, die heutzutage häufig in Vergessenheit gerät. Die
meisten von uns sind bereit zu Solidarität und Hilfe für und mit
Menschen, die in tiefe Not gerieten. Im Falle des Tsunami war die
Natur verantwortlich für das Desaster. Doch den Opfern ist es
gleichgültig, ob ein Erdbeben oder eine Bombe ihr Haus dem Erdboden
gleich machte. Sie verdienen unsere Unterstützung auch, wenn sie aus
Syrien geflohen sind oder im fernen Papua-Neuguinea leiden.
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 – 804 6519
zentralredaktion@waz.de