WAZ: Jobs hat die Welt verändert. Leitartikel von Ulrich Reitz

Früher waren Computer hässlich und Mobiltelefone
nützlich. Früher sind wir mit leiernder Musik durch Wald und Stadt
gelaufen. Dann kam Steve Jobs und brachte seine Jünger mit, die bei
anderen Firmen Angestellte heißen. Und er lieferte den Leuten, die
für andere Produkte Kunden, bei ihm aber Verehrer heißen, was sie
liebten. Genauer: Er erfand, was sie lieben würden. Erst den Mac,
dann den iPod, das iPhone, das iPad. Steve Jobs hat unser Leben
verändert.

Früher war ein Genie, wer den Geist seiner Zeit erkannte. Jobs hat
die Latte höher gelegt: Genie ist, wer den Geist der Zeit schafft.

Natürlich war Steve Jobs maßlos. Obama nennt ihn mutig und
innovativ, tatsächlich war sein Anspruch anmaßend. Er wollte in das
Leben der Menschen eingreifen. Er hat unser Verhalten und unsere
Kultur verändert. Die FAZ hat einmal einen BMW-Vorstand so zitiert:
Früher haben die Leute unsere Autos gekauft, weil sie sie cool
fanden. Heute fragen sie als erstes: Passt da mein iPod rein?

Früher gab es Künstler und es gab Ingenieure. Die Künstler schufen
das Schöne, das nicht nützlich war. Die Ingenieure schufen das
Nützliche, das nicht schön war. Ganze Denk- und Fühlwelten lagen
zwischen Künstlern und Ingenieuren. Jobs hat sie fusioniert. Seitdem
ist klar, dass Design viel mehr ist als bloße Verpackung. Design ist
die Einheit von Produkt und Verpackung und schafft so etwas Neues.

Apple-Produkte definieren einen Lebensstil. Über den
durchsichtigen Mac wurde die Firma zur Stil-Ikone der Werber. Werber
sind Menschen, die für uns Botschaften machen. Indem Jobs sie für
sich gewann, schuf er sich eine ganze, sehr einflussreiche Armee von
Botschaftern. Sie sorgten dafür, dass Apple-Dinge zugleich Mainstream
waren und Rebellion. Denk anders!, fordert Apple seine Kunden auf.
Ja: Wer wollte das nicht?

Thomas Edison hat uns das elektrische Licht geschenkt. Otto
Lilienthal hat uns Flügel verliehen, Carl Benz verdanken wir das
Auto. Robert Koch die Möglichkeit, unzählige Krankheiten zu
bekämpfen. Männer, die Geschichte machten, weil sie unser Leben
verbesserten. Jobs gehört in diese Reihe. „Wir haben unseren
Gutenberg, Edison, Picasso, Carnegie verloren“, twitterte der
Internet-Professor Jeff Jarvis gestern Morgen.

1976 hat Jobs für 1500 Dollar seinen VW-Bus vertickt, um Bauteile
für seinen ersten Computer zu kaufen, den er dann in seiner Garage
mit Steve Wozniak baute. Jobs hat leidenschaftlich gelebt. Sicher ein
Besessener. Studenten in Stanford hat er seine Haltung so
beschrieben: „Verliert Euren Glauben nicht. Die einzige Weise, wie
Ihr eine großartige Leistung vollbringen könnt, ist, dass Ihr liebt,
was Ihr tut.“

Das New York Times Magazine nannte ihn iGod. Der britische
Economist inszeniert ihn als Jesus. Nun ist der iGod tot. Er wurde
nur 56 Jahre alt. Die besten Ärzte der Welt konnten ihm nicht mehr
helfen. Es gibt einen Punkt, an dem kann niemand mehr etwas machen.
Unser Leben liegt in Gottes Hand. Er frage sich, so Jobs in Stanford,
ob er tue, was er tun wolle, falls heute sein letzter Tag sei. Falls
die Antwort nein sei, ändere er seinen Plan. Wer jeden Tag so lebt,
als wäre es sein letzter, hat irgendwann recht.

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